Diabetes News, 21.07.2006 

Deutsche Diabetes-Gesellschaft fordert aussagekräftige Studien

G-BA-Regelung zur Anwendung von kurzwirkenden Insulinanaloga erfolgte ohne solide wissenschaftliche Studien

Bochum, 21. Juli 2006 - Hausärzte und Diabetologen sollen zukünftig alle Patienten mit Diabetes Typ 2 auf kostengünstigeres Humaninsulin einstellen. Stimmt das Bundesgesundheitsministerium diesem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) innerhalb der nächsten zwei Monate zu, übernehmen die Gesetzlichen Krankenkassen dann nur noch in Ausnahmefällen die Kosten für die teureren, kurzwirksamen Insulinanaloga. Der Beschluss beruht nach Meinung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) jedoch auf einer unzureichenden Studienlage. Außerdem seien die vorgesehenen Ausnahmefälle nicht eindeutig geregelt.

"Die DDG begrüßt, dass der Beschluss eine weitere Anwendung der kurzwirkenden Insulinanaloga bei den Patienten vorsieht, bei denen damit die Therapieziele besser erreicht werden können", meint Professor Dr. med. Wolfgang Kerner, Präsident der DDG, in einer aktuellen Stellungnahme. Allerdings sei unklar, wie dies im Einzelfall geschehen soll. Eine standardisierte Methode ist im Beschluss der G-BA dafür nicht vorgesehen. "Wir befürchten, dass die Möglichkeit, gewisse Patienten mit Analoga zu behandeln, mit einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand verbunden sein wird", gibt Prof. Dr. med. Harald Klein, Vorsitzender des Ausschusses Pharmakotherapie der DDG, zu Bedenken.

Ziel jeder Diabetesbehandlung ist, die Blutzuckerwerte optimal einzustellen, um schwere Folgeschäden zu vermeiden. Um dies im Tagesablauf zu erreichen, gibt es Insuline, die verschieden lang wirken. Die kurzwirksamen Analoga sind mit ihrem zeitlichen Wirkprofil besser als unverändertes Humaninsulin dazu geeignet, die Insulinspiegel nach Mahlzeiten beim Gesunden nachzuahmen. Das IQWIG hat mit seiner Analyse der Literatur keine Evidenz der höchsten Stufe (randomisierte kontrollierte Studien mit mindestens 24 Wochen Dauer) finden können, dass sich dieser Vorteil auch in der praktischen Diabetesbehandlung niederschlägt. Dies liegt vermutlich daran, dass sich bisherige Studien eher an den Zulassungsvoraussetzungen als an der Nutzenanalyse orientierten und widerspricht der Erfahrung vieler Diabetologen und Patienten. Diese Erfahrungen sind nach Meinung der DDG nicht genügend in der aktuellen Entscheidung des G-BA berücksichtigt. 

"Die Folgen für unsere Patienten können so weitreichend sein, dass wir es für dringend notwendig halten, umgehend aussagekräftige wissenschaftliche Studien durchzuführen", fordert Professor Kerner. "Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft war und ist gerne bereit, dazu ihren Beitrag zu leisten. So können wir beispielsweise die Expertise unserer Mitglieder bei der Erstellung eines Studienplanes anbieten."

Die Aufgaben der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) sind, neue und bessere Therapiemöglichkeiten zu erforschen und Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen, zu erhalten. Sie unterstützt Forschungsvorhaben und Präventionsmaßnahmen. Weitere Ziele sind es, Ärzte und ärztliches Assistenzpersonal fortzubilden, Diabetiker zu schulen und Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit zu leisten.


Ihr Kontakt für Rückfragen:
Pressestelle DDG
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Tel.: 0711 8931 295, 
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Schweizer@medizinkommunikation.org <mailto:Schweizer@medizinkommunikation.org> 


Stellungnahme der DDG zum Beschluss des G-BA vom 18.7.2006 zur Anwendung von kurzwirkenden Insulinanaloga bei Patienten mit Typ 2 Diabetes

In früheren Stellungnahmen hat die DDG gefordert, dass kurzwirkende Insulinanalog weiterhin zur Behandlung des Typ 2 Diabetes zur Verfügung stehen müssen, da zumindest bei einem Teil der Patienten die Therapieziele damit besser zu erreichen sind. Die DDG begrüßt daher, dass der Beschluss des G-BA vorsieht, dass kurzwirkende Insulinanaloga bei Patienten mit Typ 2 Diabetes weiterhin angewendet werden können, bei denen die Therapieziele damit besser zu erreichen sind.

Der Beschluss des G-BA verlangt für diese Anwendung den Nachweis einer besseren Wirkung. Wie dies im Einzelfall geschehen soll ist unklar, eine standardisierte Methode hierfür wird nicht vorgegeben. Es ist zu befürchten, dass die Möglichkeit, gewisse Patienten mit Analoga zu behandeln mit einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand verbunden sein wird und damit beträchtlich erschwert wird.

Bisher war vorgesehen, dass Patienten, die bereits auf kurzwirksame Analoga eingestellt sind, diese weiter verwenden können. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Je nach Auslegung des o.g. Nachweises einer besseren Wirkung ist daher damit zu rechnen, dass viele Patienten auf Humaninsulin umgestellt werden müssen. Aufgrund des unterschiedlichen zeitlichen Wirkprofils wird dabei eine Neueinstellung von Insulindosen und von Anpassungsregeln erforderlich, darüber hinaus muss sich der Patient in seiner Lebensweise an das neue Insulin anpassen und gewöhnen.

Es ist unbestritten, dass die kurzwirksamen Analoga mit ihrem zeitlichen Wirkprofil besser als unverändertes Humaninsulin dazu geeignet sind, die Insulinspiegel nach Mahlzeiten beim Gesunden nachzuahmen. Das IQWIG hat mit seiner Analyse der Literatur keine Evidenz der höchsten Stufe (randomisierte kontrollierte Studien mit mindestens 24 Wochen Dauer) finden können, dass sich dieser Vorteil auch in der Praktischen Diabetesbehandlung niederschlägt. Dies liegt vermutlich daran, dass sich bisherige Studien eher an den Zulassungsvoraussetzungen als an der Nutzenanalyse orientierten und widerspricht der Erfahrung vieler Diabetologen und Patienten. Die DDG fordert, umgehend aussagekräftige wissenschaftliche Studien durchzuführen, mit denen die Anwendung von kurzwirkenden Analoga beim Typ 2 Diabetes auf eine solide Basis gestellt wird und bietet die Expertise ihrer Mitglieder bei der Erstellung eines Studienplans an. Für den Fall, dass die pharmazeutische Industrie diese Studien nicht finanziert, muss die DDG die Möglichkeit erhalten, Mittel bei öffentlichen Institutionen einwerben zu können (BMBF, Bundesministerium für Gesundheit).

Die DDG hat mehrfach ihren Wunsch nach konstruktiver Mitarbeit bei diesen Fragen bekundet und sieht ihre Aufgabe in der Sicherung bestmöglicher Therapiestandards für die Patienten. Hierzu gehört auch die Erforschung neuer und besserer Therapiemöglichkeiten und der Erhalt von Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen.

Bochum, den 20.07.2006

Prof. Dr. med. Wolfgang Kerner
Präsident der DDG

Prof. Dr. med. Harald Klein
Vorsitzender des Ausschusses Pharmakotherapie der DDG




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